Für einen Fotografen sind Porträts oft das Brot und Butter Geschäft. Deswegen bieten viele Fotografen Porträts an. Leider sieht man den Bildern oft an, ob sie mit Leidenschaft gemacht worden sind oder nicht. Denn in einem Gesicht können wir vieles lesen. Darauf sind wir Menschen programmiert. Was macht also ein gutes Porträt aus? Die Antwort ist: weit mehr als nur die richtige Technik. Ich möchte euch in diesem Artikel eine kleine Anleitung geben, wie ich Porträts mache. Das heißt nicht, dass meine Art für euch die richtige sein muss. Ich will euch einfach ein paar Tipps und Tricks zeigen, die mir geholfen haben. Viel Spaß!
Technisches Blabla vorweg:
Die richtige Brennweite
Es ist wichtig für ein Porträt die richtige Brennweite zu verwenden. Zum Beispiel sind Weitwinkelobjektive nicht geeignet, da sie das Model aussehen lassen wie einen Ballon. Zu lange Brennweiten jenseits der 200mm sind auch nicht ideal, da sie unpraktisch in der Handhabung sind. Man braucht viel Abstand zum Model und die lange Brennweite erfordert oft ein ruhiges Händchen, oder eine hohe ISO. Beide ist bei Porträtaufnahmen fehl am Platz. Deswegen sollten sich Porträt Fotografen auf den Brennweitenbereich 50mm bis 100mm konzentrieren. 85mm haben sich als die Königin der Porträt-Brennweiten etabliert. Canons meistverkauftes Porträt-Objektiv ist deswegen auch das geniale 85mm F 1.8. Ich verwende z.B. das Canon 50mm F1.4, mit dem ich sehr zufrieden bin. An meiner Canon 70D mit APS-C Sensor ergeben das 80mm Brennweite (KB). Ideal für Porträts. Ein weiterer wichtiger Punkt für die Wahl einer Brennweite zwischen 50mm und 100mm ist die Verzeichnung der Objektive. Euer Model wird mit unterschiedlichen Brennweiten, anders aussehen. Das liegt daran, dass z.B. ein 50mm Objektiv an einer Vollformat-Kamera das Motiv stärker verzerrt als ein 85mm Objektiv. Der Kopf eures Models wird also mit einem 85mm Objektiv natürlicher aussehen als mit einem 50mm Objektiv.
Blendenautomatik vs. Manueller Modus
Welchen Modus sollte man für Porträt Aufnahmen wählen? Die Antwort: Kommt darauf an. Für Hobbyfotografen reicht der Blendenautomatik-Modus vollkommen aus. Ihr stellt die gewünschte Blende ein und lasst die Kamera für euch den Rest machen. Achtet aber auf die Freihandregel. Wenn die Ansprüche professioneller werden und eine homogene Bildqualität über verschiedene Bildserien hinweg gehalten werden muss, kommt man um den manuellen Modus nicht herum. Blende, ISO und Verschlußzeit werden eingestellt und bleiben über die Aufnahmen hinweg fixiert. Dies geht natürlich in einer Studio-Umgebung leichter als draußen.
Belichtungskorrektur verwenden
Viele kennen das. Man will einen Menschen fotografieren aber das Bild wirkt zu dunkel. Das liegt häufig an zwei Dingen. Oft wird die Mehrfeldmessung zur Belichtungsmessung verwendet, zudem ist der Hintergrund oft heller als das Model. Die Kamera wählt als „korrekte“ Belichtung also eine zu kurze Verschlußzeit. Heute kann man ja zum Glück die Bilder gleich am Display kontrollieren und so etwas bemerken. Wenn ihr im Blendenautomatik-Modus fotografiert, wählt einfach eine Belichtungskorrektur von +1 oder +1 ½. Das Ergebnis sind schöne helle Hauttöne und viele Details im Gesicht eures Models.
Spotmessung verwenden
Eine alternative Methode, um die korrekte Belichtung für Porträts zu ermitteln, ist die Spotmessung. Die Spotmessung beschränkt sich auf einen relativ kleinen Bereich in der Bildmitte und ermittelt dort die korrekte Belichtung. Richtet diesen Bereich auf das Gesicht eures Models und speichert die Belichtung mittels der entsprechenden Taste an eurer Kamera. Im manuellen Modus stellt ihr die Belichtung entsprechend ein. Anschließend könnt ihr den Bildausschnitt einrichten und fokussieren. Die Belichtung wird somit das Gesicht eures Models korrekt belichten und darum geht es euch ja primär.
Wohin mit dem Fokus?
Klare Antwort: Auf die Augen! Die Augen einer Person sind Ausdruck ihrer Seele. So etwas hat sicher mal irgendein philosophisch schlauer Mensch gesagt. Egal wie ihr es nennen wollt, ein Porträt mit Fokuspunkt auf der Nasenspitze oder ein komplett unscharfes Fotos sieht einfach sch… aus. Das liegt daran, dass wir Menschen darauf programmiert sind, andere Gesichter zu lesen. Deswegen fallen uns noch so kleine Fehler sofort auf. Die Augen sind auch die Punkte im Gesicht, die die hellsten Spitzlichter aufweisen. Wir suchen in einer Szene immer automatisch nach den hellsten Punkten. Also ergibt es sich praktisch von selbst, den Fokus auf die Augen zu richten. Gerade wenn man mit einer kleinen Blendenzahl fotografiert, sollte man hier sehr sorgfältig arbeiten.
Komposition
Der goldene Schnitt
Der Goldene Schnitt, auch bekannt als die Drittel-Regel (oder die Drittel-Regel leitet sich aus dem goldenen Schnitt her…ach egal) ist eine der leichteren kompositorischen Regeln in der Fotografie. Für Porträts sind die Dinge relativ simpel. Positioniert euer Model auf einem der Schnittpunkte des Gitternetzes. Das wirkt interessanter als euer Model in der Mitte zu positionieren. Allerdings sollte man die Regeln in der Porträt Fotografie nicht so streng nehmen, wie z.B. in der Landschaftsfotografie. Achtet darauf, dass ihr die Stimmung einfangt, die ihr einfangen wollt.
Wo sollte man nicht anschneiden?
Wichtiger ist, wo man „anschneidet“. Menschen sollten auf Fotos nie direkt an Gelenken abgeschnitten werden. Das wirkt immer seltsam auf den Betrachter. Meiner Meinung, nach sollte man entweder versuchen, ein Model komplett abzubilden, oder eine Nahaufnahme brustaufwärts machen. Falls ihr ein Model abschneiden müsst, tut es oberhalb der Knie oder darunter. Nie direkt auf den Knien.
Luft lassen
Auch der Kopf sollte nicht oberhalb der Augen abgeschnitten sein, sofern mehr als das Gesicht des Models auf dem Bild zu sehen ist. Lieber etwas Luft über dem Kopf lassen, das wirkt weniger beengend auf den Betrachter. Dieser Punkt wird in der Komposition negativer Raum genannt. Also der Raum, der eben nicht das Motiv eures Fotos ist. Dieser Raum sollte entweder so gering wie nötig oder so groß wie möglich gehalten werden. Beides erzeugt komplett unterschiedliche Wirkungen. Ein geringer negativer Raum lässt dem Betrachter keine andere Wahl, als sich auf die Details zu konzentrieren. Eine Nahaufnahme eines Gesichts lässt z.B. jede einzelne Falte zur Geltung kommen. Die Details sind in diesem Fall das Motiv. Eine Gestalt in der Mitte einer großen Lichtung ist ein Beispiel für viel negativen Raum. Dieser Raum ohne Information lenkt das Interesse des Betrachters automatisch auf die Person. Verdeutlicht aber mehr seine Gestalt als seine Details. Raum sollte also immer mit Bedacht eingesetzt werden. Beginnt damit euch zu fragen „Was trägt ein Objekt zum Bild bei, hat es eine Berechtigung oder nicht?“ Wenn nicht, dann sollte es nicht auf dem Bild sein. So werden eure Bilder von Mal zu Mal stärker in ihrer Aussage werden.
Posen
Ich bin kein großer Freund von Posen. Natürlichkeit ist immer die beste Pose. In meinen Augen ist das stärkste Porträt ein Bild, auf dem das Model nicht in die Kamera schaut. Wenn doch, dann solltet ihr darauf achten, dass sich euer Model so wohl wie möglich fühlt. Redet mit euren Modellen und baut eine Verbindung auf. Den Auslöser könnt ihr dann nebenbei drücken. So entstehen aus meiner Erfahrung die natürlichsten Fotos. Ich versuche immer auf Augenhöhe zu fotografieren. Fotos von oben, nehmen dem Model physische Präsenz und lassen es verwundbar erscheinen. Das Gegenteil bewirken Bilder von unten. Das Model sollte mit leicht gedrehtem Oberkörper zum Fotografen stehen. So erscheinen die Schultern nicht so dominant. Aber alles in allem geht hier probieren über studieren.
Licht
Wie in jeder Disziplin der Fotografie der entscheidende Faktor. Darum geht es in der Fotografie – mit Licht zu malen. Auch bei Porträts ist das Licht extrem wichtig. Weiches Licht ist für Porträts besonders gut geeignet.
Hartes und weiches Licht
Weiches Licht bekommt ihr an bewölkten Tagen oder an sonnigen Tagen im Halbschatten. Aber auch ein großes Fenster kann euer Model in ein tolles weiches Licht tauchen. Achtet darauf, dass euer Modell gut ausgeleuchtet ist. Das heißt, keine harten Schatten (deswegen sehen Personen auf Urlaubsfotos oft so schlimm aus). Also nicht an sonnigen Tagen mittags fotografieren. Besonders schönes Licht bekommt ihr am Abend. Ich versuche oft mein Model im Gegenlicht zu fotografieren indem ich es vor die Sonne stelle. Dadurch bekommt das Model einen schönen Lichtsaum.
Arbeiten mit dem Reflektor
Kombiniert man das mit einem Reflektor und tolle Ergebnisse sind garantiert. Ein sehr nützliches Werkzeug. Mit diesem Schirm könnt ihr Licht auf das Model zurück reflektieren und somit ohne Blitz aufhellen. Achtet darauf, das Licht aus einem 45 Grad Winkel von oben auf das Model zu lenken. So entstehen die natürlichsten Ergebnisse. Reflektoren können verschiedene Oberflächen haben. Weise Oberflächen geben ein neutrales weiches Licht ab. Goldene Oberflächen erzeugen ein warmes Licht, das aber gut dosiert werden muss. Sonst wirkt es künstlich. Ich nutze diesen Reflektor. Achtet darauf, dass euer Reflektor solide verarbeitet ist. Er sollte aber keine Unsummen kosten, da hier wirklich weniger mehr ist.
Arbeiten mit externem Blitz
Natürlich ist auch ein Systemblitz sein Geld wert. Gerade Porträts mit entfesseltem Blitz wirken professionell und man kann so Effekte erzielen, die man mit natürlichem Licht nicht erhalten hätte. Was man benötigt ist ein Systemblitz und ein Funkauslöser. Ich habe hier aus Kostengründen auf die Firma Yugnou gesetzt mit einem Systemblitz und Funkauslöser. Der Blitz sollte E-TTL fähig sein. Darauf bitte achten. Auch die die Blitzsynchronzeit kann wichtig sein.
Farbe
Ein oft unterschätztes Thema bei der Porträtfotografie sind Farben. Wie in jedem anderen Bereich der Fotografie ist es wichtig die Wirkung und das Zusammenspiel von Farben zu kennen.
Farblehre
Die Farblehre umfasst Themen wie Farbräume, Farbmodelle, Farbwirkung und Farbharmonien. Mein Rat an euch ist aber, wenn ihr euch intensiver mit der Fotografie beschäftigen wollt, dann solltet ihr euch mit dem Thema vertraut machen. Gerade bei Porträts sollte man die Wirkung von Farben kennen. Ein blauer Hintergrund wirkt z.B. eher beruhigend und kühl. Ein oranger Hintergrund vital und lebhaft. Wenn ihr viel blau im Bild habt, könnt ihr ein wenig Orange ins Bild bringen und damit eine Farbharmonie erzeugen. In diesem Fall eine komplementäre Farbharmonie. Dabei ist jedoch das Verhältnis der beiden Farben zueinander wichtig. 50:50 wird nicht funktionieren. Lasst eine Farbe dominieren und die andere unterstützen. Ein gutes Buch zu dem Thema habe ich euch hier verlinkt. Für mich war es ein sehr guter Einstieg in das Thema.
Hintergrund
Wenn wir schon beim Hintergrund sind – hier ist weniger mehr. Ich versuche immer einen möglichst ruhigen Hintergrund zu bekommen. Nicht zu viele Farben oder Muster. Das alles lenkt den Betrachter von eurem Model ab. Wenn ihr draußen fotografiert, versucht das Model so zu positionieren, dass es keine scharfen Brüche im Hintergrund gibt. Jeder Kontrast zieht das Auge des Betrachters an – und damit weg von eurem Modell.
Analoge Trends
Das Thema analoge Film Emulationen ist inzwischen wirklich überall zu sehen. Es gibt eine großartige Sammlung an analogen Filmen – sie nennt sich VSCO Film. Ich bin auch ein großer Fan von Lightroom Presets. Leider kann ich sie selten nutzen. Denn jedes Bild sollte mit einer bestimmten Absicht entstehen. Das schließt die Farbgebung mit ein. Darum verwende ich selten Presets alleine. Ich mache immer noch individuelle Änderungen. Schaut es euch einfach mal an.
Bei Interesse, freue ich mich über eure Kommentare. Ich biete Shootings für Paare, Business Fotos oder Events an. Für Terminanfragen zu Shootings und weiteren Auskünften schreibt mir gerne hier.
Pfiad eich!
Philipp